Schweriner Weihnachtsmarkt, der Stern im Norden
Oder „Wo bitte geht’s zur weitentferntesten Back Factory“
6 Uhr morgens: der Wecker klingelt, dunkel, kalt ( minus 7°C )
„Michael fährt jetzt los!“
So hatte er es zumindest angekündigt, vorstellen mochte ich mir das nicht- aber zuzutrauen ist ihm das. Und würden wir Hermann irgendwo auf der Strecke sehen, der sich wohl auch stark für den Schweriner Weihnachtsmarkt interessierte, dem aber die Anreise mit der Bahn nach Lübeck zu umständlich erschien!?
Für Knut stand fest: erst ein Würstchen, dann Eierpunsch und dann noch was Süßes für Daheim.
Klaus, den Knut und ich Anfang März beim 200er Schnee- und Eisbrevet in der Nähe von Lütjenburg trafen, interessiert sich für die Leute, die bei solchen Witterungsbedingungen lange Strecken Rad fahren und Hans- Hermann möchte einfach alle Weihnachtsmärkte kennen lernen, die in diesem Winter angefahren werden.
Während ich mir schon zwei Tage lang Sorgen um die Kälte machte, legt Angela eine Fußheizung in ihre Schuhe; der neue Crosser muss gefahren werden- da spielen die Wetterbedingungen keine Rolle. Eine ideale Strecke dafür bietet der Wanderweg entlang des Neumühler Sees.
In Neumünster, so Knut, waren es sogar minus 15 ° C gewesen- kein Grund nicht los zu fahren. Im Verlaufe des Tages sollte es wärmer werden. Michael war tatsächlich von zu Hause aus gestartet und hatte Hermann noch in Siek abgeholt.
Und so fuhren wir munter drauf los. Schnell waren wir warm gefahren, die Kälte, wider Erwarten, kein Problem.
Der Hinweg bot unterschiedliche Straßenbeläge, wie ich es versprochen hatte: Sandwege, Betonplatte und Kopfsteinpflaster. Spielte eigentlich alles keine große Rolle, denn die Straßen waren von einer feinen weißen Schicht überzogen und der Belag oft nur zu erahnen. „strade bianchi in Meck- Pomm“ meinte Klaus- wozu in die Toscana fahren?
Der Hinweg, ca 80 km, machte hungrig und auch aus den gefrorenen Trinkflaschen kam nicht mehr viel Flüssiges. Als ich dann in Schwerin an einer Kreuzung noch einmal rechts abbog, um zum Lankower See zu kommen, wollten einige schon streiken, denn der Wegweiser zeigte eindeutig nach links und von dort wehte auch schon ein weihnachtlicher Duft. Tatsächlich lag der Geruch nach Weihnachtsmarkt schon weit vor der Innenstadt in der Luft.
Doch der Wanderweg am See war schön und musste sein.
Endlich auf dem Weihnachtsmarkt trafen wir Angela, die sich schon für die Rückfahrt mit Grünkohl gedopt hatte.
Oh, eine Back Factory! Gleich wurden die prall gefüllten Regale der Fabrik geplündert.
Knut suchte das Würstchen und Hermann freute sich über das Eis in seiner Trinkflasche, die er wieder zu Hause angekommen, mit Hochprozentigem auffüllen wollte.
War gar nicht so einfach Michael, Klaus und Hans- Hermann aus der Back- Fabrik wieder heraus zu bekommen. Musste ich also den Chef spielen, schließlich fingen die Draußengebliebenen langsam an zu frieren. Auch Knut war mit seinem Programm durch und so schön der Weihnachtsmarkt auch duftete- wir wollten weiter.
Angela zeigte uns dann noch das Schloss und anliegende Gärten, bis wir schließlich zur Crossstrecke an den Neumühler See kamen. Hier trennten sich Michael und Hermann von uns; sie wollten den Schaalsee südlich umfahren, sich einen „Umweg über Lübeck“ ersparen.
Kann ich gar nicht verstehen: Hermann hatte am Ende nur 225 km und Michael ca. 260 km auf dem Tacho.
Der Weg entlang des Neumühler Sees ist ca. 8 km lang, es geht ständig rauf und runter.
Vereiste Streckenabschnitte und Wurzeln erfordern höchste Konzentration- anschließend sind wir alle warm gefahren.
Der Rückweg bietet noch mal einige Betonplatten und Kopfsteinpflaster Passagen. Eine ist sogar 2 km lang, gefühlt 4, und bietet kaum Ausweichmöglichkeit am Rand. Zudem liegen die Steine eher grob und das weckt bei Klaus Robaix- Erinnerungen. „Kurz danach sagt man nie wieder und am nächsten Tag freut man sich wider drauf“, meint Klaus. Ich habe schon mit diesen 2 Kilometern zu kämpfen und fahren lieber 10 mal länger durch den Matsch.
In Rehna suchen wir noch eine Tanke auf, schließlich gilt diese Tour als inoffizielle Vorquali für Paris- Brest. Knut repariert noch einen Platten, während Hans-Hermann seine Kohlehydratspeicher noch einmal mit Süßem füllt.
Ab hier fahren wir im Dunkeln weiter. Eine Ankunft am Lübecker Bahnhof mit entsprechender Bahnanbindung um 18 Uhr scheint noch möglich und so geben wir am Ende noch 'mal etwas Gas. Die Normalos haben dann ca. 160 km auf dem Tacho. Angela würde lieber mit dem Rad nach Eutin, ich dränge mich aber lieber in die überfüllte Bahn.
Am Ende haben wir reichlich frische Luft getankt, die ersten weihnachtlichen Düfte gerochen und die wohl weitentfernteste Back- Factory besucht.
Wir hätten natürlich auch den Lübecker Markt besuchen können aber da wollen wir ja nächste Woche hin.
MOTTA
Kommentare
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Was Motta vornehm verschwieg: Ich, Hans-Hermann,das Angelboot, war an diesem Tag auf Grund gelaufen, eine Havarie sozusagen.
Die Havarie hat eine Vorgeschichte.
Das Unheil begann schon am Donnerstag, ich bekam Besuch aus Berlin, sehr netten und lieben Besuch. Ich hatte ein Programm vorbereitet. Am Freitag zum Weihnachtsmarkt nach Lüneburg, Glühwein und auch sonst nicht gerade sportliche Ernährung genossen.
Da ja ein Randonneur sonst immer viel unterwegs ist sollte man in der veranstaltungsarmen Zeit die sozialen Kontakte umso mehr pflegen. Also am Abend auch ein Klönschnack bis tief in die Nacht.
Am nächsten Morgen aber klingelte der Wecker schon um 5:00 Uhr. Der Audax-Club Schleswig-Holstein feierte sein 10-jähriges Bestehen. Und Randonneure feiern ja nicht im Smoking und halten große Reden, sondern machen etwas „Langes“
Vom Bahnhof Altona ging es mit der Bahn nach Sylt. Ein Teil meiner Gäste aus Berlin machten einen Hamburg-Bummel,
eine Freundin aus Berlin fuhr mit nach Sylt.
Als Randonneur geht man ja auf Sylt nicht bummeln, sondert wir mieteten uns Fahrräder und fuhren von Westerland nach List durch die schöne Dünenlandschaft auf unseren Drahteseln. Keine Anstrengung aber immerhin.
In List dann bei „Gosch“ gegessen und Weizenbier zur Verdünnung.
Ab Westerland dann wieder mit dem Zug nach Hamburg. Um 24:00 Uhr lag ich im Bett.
Keine ideale Vorbereitung für eine 150 km lange Radtour durch Eis und Schnee.
Morgens dann meinen Besuch zum Bahnhof gefahren, ich mit der Bahn von Büchen nach Lübeck. Um 9:00 Uhr starteten wir
dann zu unserer Tour zum Schweriner Weihnachtsmarkt ab Lübeck.
Beim Vorbereitungsgespräch mit Motta hatte ich wohl nicht richtig zugehört, ich war mit einem MTB und Stollenreifen unterwegs, die Route führte aber überwiegend auf Straßen und mit dem Gerät unterm Hintern fuhr ich Anschlag um mit den RR mitzuhalten. Morgens hatte ich in der Eile kaum gefrühstückt, die Getränkeflaschen waren eingefroren und Riegel hatte ich vergessen. Bis Schwerin war fast noch alles im grünen Bereich. In der Back-Factory versuchte ich die Speicher aufzufüllen, aber einen Hungerast kann man nicht reparieren.
Jetzt kam eigentlich die MTB Strecke der Tour. Ich hätte jetzt das richtige Rad gehabt, 5 km ging es noch gut, dann kam der Blattschuß. Ich platzte, frei nach „Bergfloh“, ab wie eine Raketenstufe und bin förmlich im All verglüht. Auf dem ersten Fliegenschisshügel gerade noch oben angekommen pumpte ich wie ein Maikäfer, die Beine waren Gummistengel, ich war nur noch eine Last für meine Mitfahrer und hechelte hinterher, mir ging es saudreckig. Ich kämpfte mit all meiner Erfahrung von vielen Jahren Extremsport um das Durchhalten. Ich fror, ich schwitzte, ich wollte nur noch runter vom Rad, ich war am Ende.
Alle gut gemeinten Sprüche: „Ist nicht mehr weit, wir sind gleich da“, halfen nicht.
Eine Tanke in Rhena sollte noch mal Rettung bringen. Angekommen schob ich das gesamte Angebot in meinen Körper. Marsriegel, Cola, Bockwurst. Knut hatte einen Platten und ich dadurch etwas Ruhepause. Nach Aussage des Tankwarts war es bis Schönberg noch 10 km. Da gab es einen Bahnhof. Bis dahin wollte ich. Angekommen in Schönberg bogen meine Mitfahrer rechts nach Lübeck ab, ich links zum Bahnhof. Der Bahnhof im Dunkeln und geschlossen, nur der Bahnsteig im Licht. Kein Fahrkartenautomat. Ein Passant gab eine Erklärung. Fahrkarten nur im Zug. O.K.. Nun begann die Revolution. Ich habe als nächstes erstmal den Bahnsteig vollgek…t, den Rest der Darmgeschichte konnte ich mit Mühe bis zum Lübecker Hbf. zurückhalten. Blass und ausgemerkelt stieg ich den Zug nach Büchen. Von da dann nach Geesthacht. Zu Hause angekommen grinste mein Rad mir frech ins Gesicht: Na Alter, Scheißtag heute. Ich habe dem frechen Ding dann aus beiden Reifen die Luft rausgelassen und eine Ausfahrtsperre verhängt. Nicht mit mir, trotz der Havarie.
Fazit:
130 km Kampf und die Erkenntnis es kann nur noch wieder bergauf gehen, ich war im Radfahrertal. Aber diese Erfahrung war wichtig. Der Mensch ist aus Fleisch, Blut und Wasser und nicht aus Eisen.
Angelboot